Doktorandin Anja Kürzinger und Professor Stefan Schierholz möchten gerne noch mehr Studenten für Wörterbücher begeistern.
EMLex's insight:
Der Brockhaus war eine Instanz. Die Enzyklopädie mit bis zu 30 Bänden zierte seit dem 18. Jahrhundert schon viele Bibliotheken und auch private Bücherregale. Doch 2014 war Schluss, der Verlag stellte den Vertrieb ein.
„In den vergangenen zehn Jahren sind immer mehr Lexika vom Markt verschwunden, viele sind jetzt online verfügbar und irgendwann wird das ausschließlich so sein“, sagt Stefan Schierholz. Trotzdem macht sich der Professor keine Sorgen um die Jobaussichten seiner Absolventen. „Natürlich gehen wir mit der Zeit, auch im Internet muss jemand die Dinge so auf den Bildschirm bringen, dass sie der Nutzer findet und versteht.“ Schierholz hat an der Universität Erlangen-Nürnberg vor sechs Jahren den Europäischen Master für Lexikographie ins Leben gerufen, kurz EMLex. Europäisch ist der Studien- gang gleich in mehrfacher Hinsicht. Studenten aus aller Welt können ihn in Erlangen studieren – für das kommende Semester hat Schierholz schon Bewerbungen aus Kamerun und den Philippinen vorliegen. Sie können aber auch an eine der sieben Partneruniversitäten gehen, unter anderem in Frankreich, Spanien, Italien, Ungarn und Polen. Die Europäische Union fand die internationale Ausrichtung so überzeugend, dass sie EMLex als einen von nur 15 Studiengängen in Europa ab dem kommendem Semester mit dem renommierten Erasmus-Mundus-Programm fördert. „Dadurch sollen die besten Köpfe auch nach Europa kommen und nicht alle in den USA oder China studieren“, sagt Schierholz. „Wir machen Werbung in der ganzen Welt.“ Denn die ganze Welt braucht Lexikographen – am besten aus Deutschland, ist der Professor überzeugt: „Die Geschichte der Theorie und Wörterbuchforschung hat hierzulande eine lange Tradition und hohen Stellenwert.“ Voraussetzung für das Studi- um sind deshalb sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse. Von den 30 Studienplätzen wird die Hälfte von der EU gefördert. Die Stipendiaten bekommen 1000 Euro pro Monat und die Reisekosten erstattet.
Klares Berufsbild, hoher Praxisanteil
Anja Kürzinger blickt oft in ratlose Gesichter, wenn sie erzählt, dass sie Lexikographie studiert hat. „Klar hört sich das erst mal trocken an, aber für mich hat sich dadurch eine ganz neue faszinierende Welt eröffnet“, schwärmt die 31-Jährige. Zurzeit promoviert sie über „Falsche Freunde in zweisprachigen Wörterbüchern“. Die Internationalität des Studiums hat sie gereizt: Auslandssemester in Santiago de Compostela, Praktikum in Südafrika. Das zweite Semester verbringen die Studenten aller Partnerhochschulen zusammen, dieses Jahr sind sie an der Károli-Gáspár-Universität in Budapest. Auch Schierholz ist diese Woche dort, um ein Blockseminar zu halten. Die Studenten lernen, wie Wörterbücher entstehen und worauf es dabei ankommt, um eine Sprache zu lernen oder beim Dolmetschen zu helfen. „Immer wichtiger werden auch Fachterminologie-Bücher für Firmen“, erklärt der Professor. „Damit haben unsere Absolventen gute Chancen in der Industrie.“ Ein klares Berufsbild und ein hoher Praxisanteil – das ist in einem geisteswissenschaftlichen Studium nicht immer selbstverständlich. Die Studenten und Professoren untersuchen auch, welche Quellen die Menschen nutzen, um etwas nachzu- schlagen. „Viele googeln ein Wort, ohne zu überprüfen, ob die Information stimmt.“ Nur wenige haben noch einen Duden zu Hause stehen, viele nutzen die kostenlose Online-Version des Klassikers. „Ich bin kein BWLer, aber unsere Studien zeigen, dass den Nutzern am wichtigsten ist, dass die Information stimmt – aber kosten darf sie nichts.“
Christina Merkel